Wortbericht: Kairos


Nein, nicht ein sel­ten genug zu ver­wen­den­der Plu­ral der ägyp­ti­schen Haupt­stadt – son­dern der glück­li­che Moment der Ent­schei­dung. Die früh­grie­chi­sche Dich­tung und Phi­lo­so­phie ver­steht unter dem Kai­ros eine Stel­le in Zeit und Raum, »deren Erkennt­nis und Nut­zung dem mensch­li­chen Han­deln Gelin­gen ver­spricht« (HWPh IV, Sp. 667)

In der grie­chi­schen Mytho­lo­gie steht die Figur des Got­tes Kai­ros dem Chro­nos ent­ge­gen, sei­ne Dar­stel­lung zeigt eine in die Stirn fal­len­de Haar­lo­cke, durch die die »Gele­gen­heit beim Schop­fe zu packen« ist und einen kah­len Hin­ter­kopf: »Wenn ich mit flie­gen­dem Fuß erst ein­mal vor­bei­ge­glit­ten bin / wird mich auch kei­ner von hin­ten erwi­schen / so sehr er sich auch bemüht« (Grün­del 1996, Sp. 1131). Auch die Redens­art »auf Mes­sers Schnei­de« stammt aus des Kai­ros’ Per­so­ni­fi­ka­ti­on. (Dan­ke, Wiki­pe­dia.)

Die schick­sal­haf­te Ver­an­ke­rung von Gedeih und Ver­der­ben in der Gunst der Natur dürf­te den meis­ten von uns Heu­ti­gen eher fremd gewor­den sein. Wie wäre es aber damit: Die Vor­stel­lung, dass das rech­te Maß sich güns­tig auf unse­re Ent­schei­dun­gen aus­wirkt, scheint mir tröst­li­che Ori­en­tie­rung in schwie­ri­gen Zei­ten zu bieten.

Kai­ros-Reli­ef aus dem Europeana-Portal