Schon bei Immanuel Kant findet sich die Frage aufgeworfen, wie denn Impfnutzen zu ‑risiko steht:
»Wer sich die Pocken einimpfen zu lassen beschließt, wagt sein Leben aufs Ungewisse: ob er es zwar tut, um sein Leben zu erhalten, und ist so fern in einem weit bedenklicheren Fall des Pflichtgesetzes, als der Seefahrer, welcher den Sturm doch wenigstens nicht macht, dem er sich anvertraut, statt dessen jener die Krankheit, die ihn in Todesgefahr bringt, sich selbst zuzieht. Ist also die Pockeninokulation erlaubt?«
(Metaphysik der Sitten A 75)
Dass Kant den positiven Effekt auf andere unerwähnt lässt, den die Impfung mit sich bringt – keine Verbreitung der Krankheit –, dürfen wir getrost dem Kontext des Zitats zuschreiben: Das erste Buch der Tugendlehre erster Teil handelt »von den vollkommenen Pflichten gegen sich selbst«. Denn die übergeordnete Pflicht des kategorischen Imperativs – »Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde« – ist ja durchaus des Eigennutzes unverdächtig.
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Wikimedia Commons, Wellcome Collection gallery (2018–04-06):
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